Rezension Brahms Requiem

Mit einem glänzenden Requiem gibt Hansjakob Egli seinen Abschied vom Vokalensemble Luzern. Die Pianistin Marian Rosenfeld gibt ihr Comeback nach langer Pause.

Es ist ein Kreis, der sich schliesst, und eine Linie, die sich fortsetzt. Ein letztes Mal legt das Vokalensemble Luzern seinen Gesang über das Halbdunkel des Konzertsaals. Eine Lichtglocke, die alles sinnhaft umhüllt. In diesem Schluss findet jeder seinen Frieden. Ein Pianissimo, das nachhallt. Es ist an diesem Sonntagabend im KKL nicht nur der hoffnungsfrohe Endpunkt unter ein gross gesungenes «Deutsches Requiem» von Johannes Brahms. Es ist auch der Abschied des Chores von seinem Leiter Hansjakob Egli

Ein Abschied mit dem Requiem
40 Jahre feiert das Vokalensemble Luzern und 40 Jahre sang es unter dem gleichen Dirigenten. Prägende Jahre, die der Chorlandschaft der Region starke Impulse und Gesichter schenkten. Er war der Erste, der mit einem kleinen Chor aus hervorragenden Amateuren ganz auf die Qualität setzte. Und diese Qualität zeigt er noch einmal in seiner ganzen Brillanz beim Abschiedskonzert im KKL. Allerdings wird für diesen speziellen Anlass der Chor ausgeweitet. Stattliche 45 Sängerinnen und Sänger stehen auf der Bühne. Die braucht es auch für «Ein deutsches Requiem». Und passender kann das Stück für den Weggang nicht gewählt werden. Brahms schuf hier eine Musik, die den Menschen ins Zentrum rückt. Der persönliche Abschied, das eigene Empfinden bildet den Kern dieses Stückes.

Toller Chor – solistische Brillanz
Das Vokalensemble Luzern singt über die 80 Minuten auf höchstem Niveau. Auserlesen erklingen die Starttöne im «Selig sind, die Leid da tragen». Aus dem stillsten Nichts entwickeln sich die ersten Farben. Offen und hoffnungsfroh gleitet der Klang bruchlos hinauf in das erste Mezzoforte. Fliessend und tragend werden die langen Linien gesungen. Der Klangausgleich ist – auch wenn man sich hie und da die Männerstimmen etwas kräftiger wünschte – rund und stimmig, die Artikulation klar.
Vor allem aber gestaltet Hansjakob Egli kleinräumig und lebendig, ohne den grossen Fluss aus dem Auge zu verlieren. Wunderbar, wie die Sängerinnen und Sänger zum Beispiel die glockenhaften Farben in «Denn wir haben hie keine bleibende Statt» setzten. Der Bariton Alexandre Beuchat – früher am Luzerner Theater, heute an der Volksoper Wien -singt tragend, voll und dicht. Mit zeichnerischer Dramatik erweckt er seinen Part zum Leben. Auch Marysol Schalit formt mit grosser Theaterkraft. Die Sopranistin, die schon die Lulu am Theater Bremen sang, bringt mit wechselvoller, vibratoreicher Stimme Leben in Text und Noten. Das Orchester Camerata Musica Luzern begleitet sensibel und tragend. Am Schluss gibt es für alle Künstler, aber vor allem für den scheidenden Dirigenten, lange Standing Ovations.

Comeback-Premiere im KKL
Doch an diesem Abend wurde nicht nur abgeschlossen, sondern auch eine verlorene Linie aufgenommen. Die Pianistin Marian Rosenfeld – Eglis Tochter – galt in ihrer Jugend als grosse Pianohoffnung. Beim RobertSchumann-Wettbewerb in Zwickau stiess sie bis ins Finale vor. Aus persönlichen Gründen verliess sie jedoch früh die Musiklaufbahn und kehrte erst 2018, mit 50 Jahren, zum professionellen Spiel zurück. Jetzt spielt sie zum ersten Mal ein Konzert im KKL. Mit demselben Konzert für Klavier und Orchester a-Moll von Robert Schumann, mit welchem sie vor 30 Jahren auch an einem Wettbewerb glänzte. Sie formt einen tanzenden ersten Satz, sensibel und sphärisch. Ihre Gewichtung, weich und tänzelnd, schenkt den Schmetterlingen dieses «Allegro affetuoso» viel Musse und Leben. In grosser Virtuosität, teils mit gar viel Pedal, gestaltet sie auch die anderen Sätze. Zusammen mit der phasenweise schematischen Begleitung des Orchesters führt dies nicht ganz zum gleichen runden Hörgenuss.

Roman Kühne, Luzerner Zeitung